ZabergäuGymnasium Brackenheim
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Graffiti und Street-Art – ganz legal

Kunstprojekt verwandelt gruselige Unterführung in pastelliges Gesamtkunstwerk

„Was richtig wüst und hässlich ist, soll weg!“
In der mit rotweißen Bändern abgesperrten Unterführung zwischen Schulgelände und dem Brackenheimer „Städtle“ wird gut gelaunt gearbeitet. Schüler in Arbeitskitteln und Mundschutz hantieren mit Sprühdosen, schneiden mit Cuttern Schablonen aus dünner Pappe oder zeichnen mit Bleistift Konturen an die ebenfalls von Schülern mit großer Begeisterung frisch geweißelte Wand.
Während eine Seite der Unterführung bereits vom Projekt „Aliens“ des Jugendhauses mit einem dunkelgrundigen Weltraum und diversen Gegenständen als knallbunte Farbtupfer überzogen ist, wird die andere Seite deutlich heller. Pastellige Bonbonfarben stehen hier hoch im Kurs.
Unter fachkundigen Kommentaren von Douglas Flubacher hält Seymen Yagar seine zuvor akribisch ausgeschnittene Schablone an die Wand, die er vorsichtig besprüht: das Clan-Logo aus der beliebten Anime-Serie „Attack on Titan.“
Carolin Schmid hat Bilder der Cartoon-Serie „Powerpuff Girls“ als Vorlage auf dem Handy. Sie zeichnet die Mädchen mit Bleistift an die Wand, unterstützt von Pia Oxenmayr. Lilla Nowacka hat sogar mit freier Hand einen beeindruckenden männlichen Oberkörper an die Wand gezaubert, der gebührend bewundert wird.
Initiiert hat das Projekt Inger Lisa Klinkhammer, seit Februar 2020 Referendarin am Zabergäu-Gymnasium und wie viele Schüler täglich auf dem Weg durch die Unterführung. Ihr missfallen die Beleidigungen, Verunglimpfungen einzelner Personen oder ganzer Ethnien. „Dies sind nicht die Informationen, mit denen junge Heranwachsende tagtäglich konfrontiert werden müssen.“ Man müsste die Wände doch freundlicher gestalten können. Mit einem Graffiti-Projekt, das die Schüler anspricht. Ein Schlüsselerlebnis bestärkt ihr Vorhaben: Sie kommt dazu, wie zwei Grundschüler versuchen, ein sexistisches Schimpfwort zu entziffern.
Unterstützung findet sie bei Kunsterzieherin Annette Schuh, und auch Schulleitung und Stadtverwaltung geben für das Unternehmen sofort ihr Plazet.
Mit einem eigenen Plakat wirbt die Lehrerin über soziale Medien – noch ist Homeschooling angesagt – für das Projekt bei den Schülern. Die Resonanz ist überwältigend. Zahlreiche Vorschläge und Entwürfe gehen gleich am ersten Tag ein, sodass sie die unterschiedlichen künstlerischen Gestaltungselemente sofort in ihren Unterricht einbindet.
Mittlerweile haben sich über 200 Schüler angemeldet, die – zeitversetzt - mitmachen.
Das Motto „Gewaltfreie Kommunikation und Toleranz“ steht in krassem Gegensatz zu dem, was die Schüler zu Beginn schwungvoll übertüncht haben. Von Tag zu Tag wird die Wand bunter, fügen sich einzelne Bildelemente wie eine Collage zu einem Gesamtkunstwerk zusammen. Zu einem „toleranten Wegbegleiter“, den sich die Initiatorinnen für alle Passanten wünschen. Sonne, Friedenstauben und Kaffeetasse gesellen sich zu Symbolen, die eine sexuelle Diversität widerspiegeln. Ein Thema, das viele Schüler beschäftigt.
Immer wieder bleiben Passanten interessiert stehen und beobachten, was sich im „Untergrund“ entwickelt. Für die Lehrerinnen ist es spannend zu beobachten, wie Zusammenhänge entstehen, interaktive Reaktionen der jungen Künstler und auch ein gewisser Wettstreit untereinander. Denen macht es Spaß, einfach drauflossprayen zu dürfen – was ja eigentlich illegal ist. „Dürfen wir wirklich selbst sprühen?“, war daher zu Beginn eine häufige Frage. 
Nach der langen Corona-Zeit können die Schüler endlich gemeinsam etwas unternehmen, sich kreativ an der Wand „austoben“, Spuren „à la Banksy“ hinterlassen.
Auch die Jüngsten sind mit Feuereifer dabei, wie der Sechstklässler Moritz Korn: „So ein Projekt wollte ich schon immer mal machen, aber man darf ja eigentlich nicht.“
Einen positiven Effekt zeigt der Kommentar eines Grundschülers, der sich überlegt, ob er sich jetzt wieder durch die Unterführung traut: „Sie sieht nicht mehr so gruselig aus.“ 

 

Danke!
Ohne die ideelle und finanzielle Hilfe vieler Menschen, die sich von der Idee haben begeistern lassen, wäre so ein Projekt nicht möglich gewesen. Daher geht ein großes Dankeschön an Schulleitung, Stadtverwaltung und Gemeinderat sowie an Hausmeister Timo Schrack, an Horst Hönnige und sein „Dream Team“ vom Bauhof für ihre Offenheit und ihr Interesse gegenüber Schülerkunst und dafür, von Absperrbändern über Farbeimer und Malerbedarf stets pünktlich alles Notwendige zu liefern und immer hilfsbereit zur Stelle zu sein.
Ein weiteres Dankeschön geht an den Spraydosen-Shop.de in Heilbronn für sein großzügiges Entgegenkommen bei den Preisen sowie die Rücknahme der Dosen zur Wiederverwertung.          el